Gedichte 46 bis 60
Reifen und Lieben | Erbarmen | Zeig mir ein Herz | Die Priorin | Des Lebens Spiel | Die Fliege am Fenster | Das große Glück | Festmahlzeit | Geduld | Hoffnung | Allein | An eine Kranke | An eine Freundin | Hingeben | Ermahnung
Reifen und Lieben
Weißt du denn, was Reifen ist?
Reifen ist ein schmerzlich Ding,
sieh' die Knospe und den Ring,
den die Blätter um sie schließen.
Soll die Blüte sich erschließen
und von Düften überfließen,
muß sie sprengen diesen Ring –
Reifen ist ein schmerzlich Ding.
Weißt du denn, was lieben ist?
Lieben ist ein stetig Schaffen,
ein Sich-selber-zu-verlassen
und die Hand des andern fassen.
Ist ein Aufbruch aller Türen,
ist ein Schenken und Verlieren,
ist Verblühen und Vergehn
und ein neues Auferstehn.
Erbarmen
Warum fragst Du nach Schuld?
Laß doch Erbarmen sprechen,
laß doch den Richterspruch,
laß Liebe Bahnen brechen,
laß Liebe Wege finden,
den Brüdern beizusteh'n.
Die Güte sucht nicht Schuld,
nur Hilfe und Versteh'n.
Die Liebe ist barmherzig,
sie sieht nur Leid und Schmerz.
O hör' auf ihre Stimme,
verhärte nicht Dein Herz.
Ist Gottes Lieb nicht immer
bereit, Dir zu verzeih'n?
Laß darum Deine Lieb
der Seinen ähnlich sein.
Zeig mir ein Herz
Zeig mir ein Herz, das lieben kann,
ich will es mit ihm wagen
zu gehn durch diese graue Welt,
die bitter ist von Klagen.
Ist da ein Herz, das trösten kann,
so mach es sich bereit,
die Nacht verbirgt der Tränen viel
in ihrer Einsamkeit.
Solange es noch Menschen gibt,
die Gutes tun auf Erden,
ist Gottes Liebe unter uns
auf dieser armen Erde.
Und wenn sich noch die Hände falten,
um Sein Erbarmen zu erfleh'n,
solange wird ein güt'ger Vater
durch dieses Leben mit uns gehn.
Die Priorin
Weiße Frau im Klostergarten,
die du zwischen Blumenbeeten
neigst das Haupt in schwarzem Schleier,
in der Einsamkeit zu beten.
Sinnend muß ich dein gedenken,
deiner Weisheit, die mich lehrte,
des Vertrauens, das du schenktest,
deiner Liebe, die mich führte.
Reich dein Leben, durch die Gnade
und dein Wirken, reich an Güte,
Braut des Herrn, Ihm ganz zu eigen,
wahres Kind in Gottes Liebe.
Deine Demut will ich grüßen
und für deine Worte danken,
Mutter vieler junger Seelen,
die du führst in Gottes Schranken.
Jene Zeit, ich will sie segnen,
da ich dir begegnet bin,
sucht das Herz doch einzig jene,
die Gott ganz ergeben sind.
Ihr, die Gott berufen hat,
in der Stille Ihm zu dienen,
denket derer, die im Kampfe
dieser Welt sich redlich mühen.
Die nicht bergen Klostermauern,
die doch Glauben leidend schützen,
die mehr weinen denn als singen,
bittet Gott, daß Er sie stütze.
Daß die ihnen Anvertrauten
nicht dem Feind zum Opfer fallen,
daß wir all zum Vater finden,
Gott zur Ehr, zum Heil uns allen.
Des Lebens Spiel
Mal Fröhlichkeit, mal Traurigkeit,
das ist des Lebens Spiel,
und wünschtest du nur Fröhlichkeit,
du fändest nicht ans Ziel.
Die Traurigkeit nur birgt die Stille,
die Saat muß in der Erde Schoß,
und dort nur kann sie sich entfalten
und wächst empor, wird reif und groß.
Was wachsen und gedeihen will
braucht Sonne und auch Regen.
Drum geh getrost durch Freud und Leid,
so gehst du Gott entgegen.
Die Fliege am Fenster
Geschäftig und fleißig, du willst zum Licht,
wer möchte es dir verdenken?
Würdest du einmal nur stille sein,
ich würd' dir die Freiheit schenken.
Du hast viel Kraft, du bist noch jung,
doch liebst du nur den Schein,
bist eben noch nicht weise genug,
brauchst Hilfe, du schaffst's nicht allein.
Das Glück und das Leben findest du nicht,
wenn du auf eigne Kraft nur baust,
dir von Klügern nicht helfen lassen willst
und nur dem eignen Ich vertraust.
Die Geduld, die dir fehlt, ich hab sie für dich,
ich warte bis müd' du geworden
und traurig und still und demütig bist,
dann nehm ich dir deine Sorgen.
Ein wenig muß ich dir wehtun, verzeih,
sonst läßt du dich nicht bekehren,
doch die Angst, die du leidest, ist schnell vorbei,
halt still und tu dich nicht wehren.
Die Türe ist dir noch immer offen,
durch die du kamst herein,
durch sie nun fliege den Weg zurück
in Leben und Glück und Sonnenschein.
So, kleines Geschöpf, nun freue dich,
jetzt fliegst du der Freiheit entgegen
und traue nie mehr dem falschen Schein,
es kost' dich am Ende das Leben.
Das große Glück
Die gold'ne Lebenskugel rollt,
wir laufen hinterher,
so oft erreichen wir sie nie
und bleiben doch nicht leer.
Doch war das große Glück uns hold,
so sehen wir bald ein:
es ist doch nicht, was wir gewollt,
es war nur alles Schein.
Suchst du das Glück nicht in dir selbst,
dort wartet es schon lang,
wirst du vergeblich dich bemüh'n
ein ganzes Leben lang.
Werd' still und lausche, denn es spricht,
will zeigen dir den Weg,
es braucht nur Lieb' und braucht Geduld
und auch ein still' Gebet.
Festmahlzeit
Zwei Fliegen sah ich mit Federhut,
ich muß schon sagen, er stand ihnen gut.
Sie spazierten lustig so zu zwei'n
auf der Fensterbank im Sonnenschein.
Ein Vogel flog zum Fenster herein
mit Zylinderhut und Frack, sehr fein.
Ich fragte: warum denn so feierlich?
Zum Fliegenfestschmaus da schmück' ich mich.
Die Katze, die Schlaue, sie sitzt auf der Bank,
eine Schleife im Schwanz aus rotem Band,
sitzt geduckt und ist zum Sprung bereit,
zu verspeisen den Vogel zur Mittagszeit.
Da kommt der Hund, ihm knurrt der Magen,
nun kann er 'ne fette Beute vertragen.
Er frißt die Katze mitsamt dem Vogel,
der die Fliegen verspeist hat, es ist nicht gelogen.
Schal, Frack und Zylinder und die Hüte der Fliegen
ist alles, was noch übriggeblieben.
Und die Moral von der Geschicht:
Das Leben ist kurz, vergiß es nicht.
Geduld
Nur weil das Licht nicht immer sichtbar ist
und es durch dunkle Wolken seinen Weg nicht findet,
muß unser Herz so manche Stunde zagen
und unser Mut ins Bodenlose sinken.
Doch er ist da, der tröstlich helle Schein,
der Angst und Not und Schmerz weiß zu verwinden,
es braucht nur dieses kindliche Vertrauen,
denn auch in dunkler Nacht
läßt sich der Vater finden.
Hoffnung
Setz' Hoffnung wider alle Angst,
setz' Lieben wider Hassen
und bau' auf Gott und hab' Geduld,
Er wird uns nicht verlassen.
Ein kleines Licht in dunkler Nacht,
ist es auch noch allein,
es hat die Kraft, es pflanzt sich fort,
gibt Wärme, hellen Schein.
Drum zünd' dein Licht und gib es weiter,
mit jedem Heller weicht die Nacht,
die Schatten werden immer kleiner
und auch die Angst, die sie entfacht.
Dann bring dein Beten vor den Herrn,
für alle, die da weinen,
und auch für die, die schuldig sind,
damit sie Frieden eine.
Damit die Qual ein Ende finde,
die Nacht den Tag gebiert,
damit die Völker sich verbünden
und die Liebe triumphiert.
Allein
Wie oft sind wir allein
und sehnen uns nach einem Herzen,
doch niemand steht uns bei,
allein sind wir in unsern Schmerzen.
Doch sind wir denn allein?
Ist nicht der Herr da, der uns trägt
durch alle Not und Pein,
bis unsre letzte Stunde schlägt.
Und sagte Jesus nicht:
Ich schaute aus nach einem,
der Mitleid mit Mir habe,
mit Meinem Schmerz,
doch fand ich keinen.
Er litt es dir voraus,
drum werfe dich in Seine Arme.
Er hebt dich sicherlich
aus aller Not in Sein Erbarmen.
An eine Kranke
Nur einen Blumengruß, mehr braucht's auch nicht
an die, die uns so lieb, vertraut,
und einen stillen Wunsch für ihre Seele
zum Glücklichsein in Gott, auf den sie baut.
Und Trost und Kraft für ihre letzten Wege,
die wohl beschwerlicher noch als die andern sind,
und dann ein stilles: „Mir geschehe.
Du weißt, was gut ist für dein armes Kind.“
Er geht ja mit, trägt uns, wenn wir ermüden,
der auch den Kreuzweg ging in bittrer Not.
Er schenke deiner Seele jenen Frieden,
den keiner von dir nehmen kann, auch nicht der Tod.
An eine Freundin
Still und freundlich war Dein Wesen,
weiter wußt ich nichts von Dir,
bis ein Blick in Deine Seele
schenkte mir ein Wort von Dir.
Welches Leid und welche Trauer fand ich da,
ich mußte weinen,
war's denn möglich, das zu tragen
und noch heiter zu erscheinen?
Söhne vier hast Du geboren,
sie geliebt und sie gelehrt,
Stolz und Glanz in Deinen Augen,
Freud' im Herzen, unbeschwert,
bis der Tag kam, der Dir brachte
großes, namenloses Leid,
Glück und Hoffnung Dir genommen,
Deiner Kinder Fröhlichkeit.
Krankheit, Tod, Verlassenheit
warf das Schicksal in ihr Leben,
Freude ward zur bittern Klage,
Glück zu Schmerz und Nichtverstehn.
Welche Hilfe könnt' ich bringen,
welches tröstlich Wort Dir sagen?
Ich muß schweigen und beginnen,
einen Gott danach zu fragen.
Da sah ich einer Mutter Tränen,
die unterm Kreuz des Sohnes stand,
der schuldlos trug all unser Leiden,
und der vom Grabe auferstand.
Und ich sah ein Meer von Tränen
und in Trauer Mütter gehn,
sah sie dann in Frieden scheiden
und die Kinder wieder sehn.
Und ich hörte eine Stimme,
die uns Trost und Hoffnung gibt:
Gott wird trocknen alle Tränen,
Er, der uns so sehr geliebt.
Er wird schaffen alles neu,
der vom Tod erstand zum Leben
und wird wandeln alles Leid
in Verstehen, Glück und Frieden.
Hingeben
Stelle dich nicht gegen Gott,
laß Ihn stets an deiner Seite,
gehorche Ihm und Seinem Wort,
vertraue Ihm, Er gibt Geleite.
Dann wird so manches Dunkel hell,
denn Weisheit weiß Er dir zu geben,
du ahnst die Torheit dieser Welt
und lächelnd gehst du Ihm entgegen.
Ermahnung
Du hast den Glauben nicht gewagt,
die Hände nicht berührt,
die sich nach deinen ausgestreckt,
Er hätte dich geführt.
Den Glauben hast du nicht gewagt,
das Dunkel vorgezogen,
anstatt das Licht auf deinem Pfad –
du hast den Weg verloren.
Und weil du nicht der Wahrheit glaubst,
wirst du vergeblich suchen
den Weg, der zu der Wahrheit führt,
vergeblich war Sein Rufen.
Oh kehre um, noch ist es Zeit,
noch wartet Er auf dich,
es gilt das Leben zu gewinnen,
die Wahrheit und das Licht.
Flieh diese Welt voll Haß und Tod,
voll Dunkel und voll Lüge,
ergreif das Leben, das dir bot
ein Gott aus lauter Liebe.
Denn nur wer kämpft, der wird auch siegen,
der Wandrer nur erreicht sein Ziel.
Nur der, der glaubt, wird einmal wissen.
Wag' es mit Christus, traue Ihm.