Gedichte 61 bis 67

Gnade  |  Gebet  |  Meinem Sohn  |  Vertrauen  |  Hoch betagt  |  Lebensabend

 

Gnade

Dein Lächeln hat uns tief berührt,
so, wie wenn Sonne durch die Wolken dringt
und alles Dunkle, Schwere von uns nimmt,
so haben wir die Liebe da gespürt
und Deine tiefe Freude,
als wir uns trafen in dem Heiligtum.

Da mußte ich der Mutter Jesu denken,
als sie den Sohn im Tempel dargebracht
und Ihn auch dort nach langem Leid gefunden.
Wie glücklich hat uns Gottes Lieb gemacht.

Du kamst zurück aus tausend Ängsten, Nöten,
Du fandest heim, zu dem, der Dich gesucht
und hast Ihm weit Dein armes Herz geöffnet,
und mit Ihm ward Dir Friede, Freud und Ruh.

Tief glücklich, uns jetzt hier zu finden,
die Deiner leisen Frage gleich gefolgt:
„Kommt ihr auch her zu Ihm, Ihn zu begrüßen?“
Und freudig haben wir uns eingestellt.

 


 

Gebet

Warst Du mir in meiner Jugend nah, oh Herr,
wenn hell und froh ich Deine Lieb' besungen,
bist näher Du gekommen mir im Leid
wenn Schmerz und Trauer meine Seel' durchdrungen.

Doch warst Du niemals mir so nah wie jetzt,
da ich mein Wille ganz Dir übergebe.
Bleib bei mir, Vater, wenn die Stunde naht,
die scheidend meine Seel' in Deine Hände leget.

 

 

Meinem Sohn

Für Mütter bleibt der Sohn ein Kind,
ganz gleich, wie groß er ist geworden,
sie sieht ihn noch, wie klein er war,
wie unbeschwert und ohne Sorgen.

Ist er auch glücklich, denkt sie dann,
ist er zufrieden, froh und heiter?
Vergißt, daß längst er ist ein Mann,
und so gehn ihre Fragen weiter:
Hat er bewahrt, was du ihn lehrtest,
daß Gottes Gnad' ihn sicher führt,
weiß er zu wählen das, was wert ist,
daß keine Schuld ihn tief beschwert?

Sohn, nimm' sie an in ihrer Torheit,
laß liebend Nachsicht lächelnd walten.
Bedenk' Gott selbst in Seiner Weisheit
macht sich auch Sorgen um die Alten.

 

 

Vertrauen

Ich schenk' mich Dir mit allem, was ich habe,
verfüge über mich, so, wie es Dir beliebt.
In Dir nur find' ich Frieden, find' ich Gnade,
in Dir, der mich zuerst, zutiefst geliebt.

Ich hab' zu Dir ein grenzenlos' Vertrauen
und sage ja zu allem Deinem Tun,
weil ich gewiß, daß Deine Weisheit, Deine Liebe
mich führen will der ew'gen Heimat zu.

Und geh' ich auch im Schatten dieser Erde,
die Bitternis mir bringt und Leid und Tod,
so bin ich doch gewiß, daß mich die Hand des Vaters
einst retten wird aus dieser großen Not.

Und bin ich manchmal müde und verzagt
und blind vor Tränen, die die Augen trüben,
und glaube ich, ich kann nicht weiter mehr
und sage: „Vater, laß es jetzt genügen!“

Dann neigst Du Dich zu mir und hebst mich auf
und läßt mich Deine ganze Liebe fühlen,
gibst neues Licht mir für die blinden Augen
und Trost und Frieden für das arme Herz.

Und dann ist alles wie verklärt in Deinem Licht,
und neuer Mut und neue Hoffnung leben,
und neue Kraft wird mir, das Kreuz Dir nachzutragen
und es für Dich und andere zu wagen.

 

 

Hoch betagt

Nun bin ich still vor Dir, mein Herr und Gott,
der vielen Worte sind genug gesagt,
ich ruhe aus von einem langen Leben
und warte auf den letzten, großen Tag.

Ich geb' mich ganz in Deine guten Hände
und hoffe still, daß ich bestehen mag,
ich trage nicht nur Freud' und Glück im Angebinde,
Du weißt es Herr, auch Schmerz und Angst und Plag.

Still leg' ich es zu Deinen Füßen nieder,
auch das, was Dich erzürnet haben mag,
am Fuß des Kreuzes wird daraus mir Gnade,
durch Deine Lieb', das hoff' ich Tag für Tag.

So bin ich denn nun ganz in Deinem Willen,
schau' auf zum Vater, dem ich ganz vertrau'
und warte still, bis Du Dein Kind wirst rufen,
aus dieser Welt, zu Deiner Sel'gen Schau.

 

 

Lebensabend

Müde bin ich Herr, ich bin so müde,
ich möcht' zur Ruh' mich legen, zu den Andern,
die früher schon die Lebensbahn beendet.
Müde bin ich, von dem vielen Wandern.

Und stille möcht' ich werden, einfach stille
und nicht mehr reden und soviel erklären,
nur lächeln und so meine Liebe zeigen
und schweigen und mich nicht mehr wehren.